Beethoven ausgelotet
Von Reinhard Kriechbaum
Wiener Zeitung, Printausgabe vom Mittwoch, 29. Juli 2009
Tonlich schlank heißt nicht zwingend leise. Und durchsichtiges Musizieren bedeutet keineswegs, dass nicht trotzdem die Lüster zu kreisen beginnen dürfen im Großen Saal des Mozarteums. Ja, da fürchtete man schon gelegentlich, dass der Putz mit dem schönen Blattgold abbröckeln könnte!
Paavo Järvi und die Kammerphilharmonie Bremen gehen die Erkundung der Beethoven-Symphonien chronologisch an, und auffallend eigenständig: Keine Sorge, dass zu Beethoven schon alles gesagt wäre...
Harte Arbeit sei es gewesen, Beethoven neu zu hören, zu denken, sich von Tradition und Klischee zu lösen, die sich gern übers Hintertürl wieder einschleichen. Das versicherte Paavo Järvi nach dem zweiten Konzert, in dem man die Vierte und Fünfte Symphonie noch ums Violinkonzert bereicherte. Am ersten Abend gab’s Sibelius’ "Valse triste" als Zugabe, und nach der "Schicksalssymphonie" einen Ungarischen Tanz von Brahms.
So handeln keine Stil-Puristen, sondern Menschen, die Musik in ihren Affekten ausloten wollen und sich nicht scheuen vor vermeintlichen Schräglagen. Schien in der "Ersten" der Pegel kaum unter ein sattes Forte abzusinken?
Erstaunlicherweise bleibt bei aller Hochenergie noch Freiraum – und da wird das Spiel der Deutschen Kammerphilharmonie zart, die Klangfarben sind perfekt ausgetüftelt und wie mit dem Haarpinsel sind die Strukturen der Instrumentation bloßgelegt. Und dann bricht wieder der Rhythmus herein, dass einem die Ohren wackeln. Naturtrompeten gehören längst, so auch hier, zum guten Klassik-Ton. Das schneidet, und Pathos ist diesem Musizieren völlig fremd.
Ein ähnlicher Eindruck wie schon vor Jahren, als Harnoncourt bei den Festspielen einen Beethoven-Symphonien-Zyklus mit dem Chamber Orchestra of Europe gestaltete: Es tut gut, Beethoven in einem Saal für nur achthundert Personen zu hören und nicht im Großen Festspielhaus. Musik wirkt anders, wenn die Dimensionen stimmen.
Konzert
Beethoven-Zyklus
Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Paavo Järvi (Dir.)
Konzerte am 25., 26., 27. und 29. Juli.
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