Groß dimensioniertes Stück absoluter Musik
DA-imNetz.de
21.05.2012
Klaus Ackermann
http://www.da-imnetz.de/nachrichten/kultur/paavo-jaervi-hr-sinfonieorchester-alte-oper-frankfurt-2326608.html
21.05.2012
Klaus Ackermann
Frankfurt J. Es hat einen
regelrecht umgehauen. Einen Intensivkurs in Sachen Gustav Mahler boten Paavo
Järvi und das wieder ungemein leistungsstarke hr-Sinfonieorchester dicht an den
klanglichen Realitäten der 5. Sinfonie. Von Klaus Ackermann
In der gut besuchten Alten Oper gab es zudem ein Wiedersehen und –hören mit
der russischen Geigerin Viktoria Mullova, die Sergej Prokofjews 2.
Violinkonzert wie mit dem Weichstift reinzeichnete.
Maßvoll modern ist dieser Prokofjew, 1935 nach der Rückkehr des Komponisten
in die Sowjetunion geschrieben und den hammerharten Personalstil der frühen
Jahre nahezu vergessen machend. Mit einem kantabel anmutenden, russisch
getönten Thema weist die Solistin, eingangs noch allein, in diese
stimmungsvolle Klangwelt ein, die gespenstischer tänzerischer Spuk durchbricht.
Melodiösen Zucker hat auch das Andante assai, von den Streichern mit zart
gezupften Akkorden unterlegt und von Mullova klanglich ideal austariert, die
den schönen gehaltvollen Ton ihrer aus ehrwürdiger italienischer Manufaktur
stammenden Geige exemplarisch nutzt.
Dass es diesem Prokofjew an tückisch virtuosen Einfällen nicht mangelt,
lässt die Weltklasse-Geigerin nahezu vergessen. So natürlich wirkt das metrisch
schnell wechselnde tänzerische Allegro mit seinen motorischen Skalen, deren
Kastagnetten-Rhythmus auf Spanien verweist. Mit stilistischem Feingefühl und
großem stimmlichen Gestus dann auch der obligate Bach als Zugabe, hier die
Sarabande aus der 2. Suite für Violine solo.
Bachs instrumentale Linie
schwingt selbst bei Mahlers 5. Sinfonie mit, ein in zwei Abteilungen
angelegtes, groß dimensioniertes Stück absoluter Musik, das ein eigenartiges
polyphones Gewebe auf polyrhythmischer Grundlage erstellt. In Järvis packender energiegeladener
Inszenierung scheint schon die markante Trompete des Trauermarschs in eine Art
Todeszone zu geleiten. Wie ein orchestraler Aufschrei dann der eigentliche
erste Satz, „mit größter Vehemenz“ zu spielen, was für Järvi und die Mahler
offenbar besonders liebenden hr-Symphoniker das Gebot der 76 Minuten ist.
Allein die Celli erzeugen bei diesem aufwühlenden emotionalen Engpass die
gewisse stimmliche Wärme. Bis hin zum klanglich irrlichternden Schluss ein
Blick in den Abgrund.
Auch das ausgedehnte Scherzo, eine Art Ländler, der regelrecht demontiert
wird und mit einem fantastischen Hornisten wie ein Fels in sinfonischer
Brandung, hat den selbstquälerischen Bezug. Dagegen scheint sich Järvi in den
trivialen Klangmomenten tänzerisch zu wiegen. Dieser Lust am klanglichen Chaos,
das „ewig aufs Neue eine Welt gebärt, die im nächsten Moment wieder zu Grunde
geht“ (Mahler), folgt ein Adagietto, das aus anderen Sphären kommt.
Järvi scheint hier klanglich einen Blumenteppich auszulegen, von innen
heraus glühend wie die Farben eines Gemäldes von Gustav Klimt. Ein Weckruf der
exzellenten Hörner lässt den breiten Streicher-Strom fließen – so zwischen
Gassenhauer-Anstrich und Fugen-Form als Heiligenschein. Die effektvolle finale Verdichtung des so
widersprüchlichen sinfonischen Geschehens offenbart noch einmal das sichere
dramaturgische Gespür des hr-Chefdirigenten. http://www.da-imnetz.de/nachrichten/kultur/paavo-jaervi-hr-sinfonieorchester-alte-oper-frankfurt-2326608.html
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