Eruptive Schübe

Von Axel Zibulski
25.09.2010 - FRANKFURT
Main-Spitze.com

PORTRÄT Komponist Beat Furrer in der Alten Oper

Beat Furrer mag es leise. Vielleicht auch unauffällig. Nach der Aufführung seines Orchesterstücks „Chiaroscuro“ wollte sich der Schweizer Komponist nicht vor dem Publikum zeigen - vergeblich bat Dirigent Paavo Järvi ihn mit Gesten aufs Podium der Alten Oper. Mit Furrers 1986 vollendetem Zehn-Minuten-Stück leistete das hr-Sinfonieorchester seinen Beitrag zum aktuellen Komponistenporträt beim „Auftakt“-Festival der Alten Oper; es ist dem 1954 geborenen Schweizer gewidmet.

Ein wenig isoliert stand „Chiaroscuro“, das Furrer seinem Kompositionslehrer Roman Haubenstock-Ramati zugedacht hat, vor der Aufführung des Violinkonzerts von Brahms. Ein Werk des Übergangs ist es, weil Furrer Mitte der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts seine ganz leisen Klangerforschungen in eine dramatischer geprägte Sprache überführte: Das ist in seiner knappen Orchesterkomposition spürbar, und der ursprünglich vorgesehene Name „Tsunamis“ deutet die eruptiven Schübe des Stücks zumindest an. Das hr-Sinfonieorchester spielte sie so sorgfältig wie die meist dominierenden flirrenden Klangflächen dieses ein wenig spröde und trotz seiner Kürze sperrig wirkenden Werks.

Mit dem Violinkonzert D-Dur op. 77 setzten Järvi und das Orchester ihren Brahms-Zyklus fort; einmal mehr gastierte mit Leonidas Kavakos einer der zur Zeit besten Instrumentalisten seines Fachs in Frankfurt. Da mögen Läufe und Doppelgriffe noch so anspruchsvoll sein - der 1967 in Athen geborene Geiger gestaltete mit jener völligen Tonreinheit und entspannten Natürlichkeit, die sein Spiel prägen. Weil Paavo Järvi seine Neigung zu orchestralen Ecken und Kanten zurückstellte, entwickelte sich die Aufführung zu einer wunderbar abgeklärten, gelassenen, aber nie spannungslosen Auseinandersetzung mit dem knapp dreiviertelstündigen Werk. Der Applaus war so lang, dass sich Kavakos bis zur Zugabe viel Zeit lassen konnte; er reichte noch eine Bearbeitung des Gitarren-Stücks „Recuerdos de la Alhambra“ von Francisco Tárrega nach.

Dänischer Spätromantiker

Noch eine Fortsetzung: In der zweiten Programmhälfte dirigierte Paavo Järvi die 1911 vollendete Sinfonie Nr. 3 op. 27 von Carl Nielsen als Teil einer Gesamtaufführung aller sechs Sinfonien des dänischen Spätromantikers. Ein zäsurenreiches Werk, das Järvis spannungsvoller Musizierhaltung entgegenkommt, mit plötzlich wild entfesseltem Walzer in der Mitte des ersten Satzes, aber auch zwei verklärten Vokalisen im zweiten. Sopranistin Camilla Tilling und Bariton Michael Nagy fügten sich mit beinahe instrumentaler Klarheit vorzüglich ein; das Orchester spielte nach anfänglich kleineren Bläser-Irritationen bald auf gewohnt hohem Niveau.


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