Paavo Järvi dirigiert Bizet
NDR.de
Georges Bizet: Sinfonie in C, Kleine Suite für Orchester op. 22 (Jeux d'enfants), "Roma", Suite für Orchester Nr. 3
Orchestre de Paris
Leitung: Paavo Järvi
Vorgestellt von Friederike Westerhaus
Im Oktober erhält Paavo Järvi den Echo Klassik als "Dirigent des Jahres" - ein Dirigent, der im wahrsten Sinne des Wortes alle Hände voll zu tun hat: Der 47-Jährige ist bereits Chefdirigent des Cincinnati Symphony Orchestra, des HR-Sinfonieorchesters Frankfurt und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Nun kommt ein viertes Orchester hinzu: Järvi übernimmt als Nachfolger von Christoph Eschenbach die Leitung des Orchestre de Paris. Pünktlich zum Antrittskonzert ist jetzt bereits eine erste CD des Orchesters mit seinem neuen Chef erschienen, und dabei hat man sich auf ein französisches Repertoire verständigt: Werke von Georges Bizet.
"Ich liebe Bizet"
Als Järvi zum ersten Mal das Orchestre de Paris erlebte, war er äußerst beeindruckt: "In komplizierten Passagen in der Sinfonie war im Orchester eine besondere Erregbarkeit zu spüren, der Wille, sich anstecken zu lassen", erzählt Järvi. "Das ist ziemlich einzigartig und sehr attraktiv, wenn man merkt, dass plötzlich das Blut der Musiker zu kochen beginnt."
"Das Orchestre de Paris hat einen erstaunlichen ästhetischen Code", so Järvi. "Es klingt sehr elegant. Auch wenn es nicht immer extrem fein klingt, ist die Suche nach einer gewissen Eleganz da. Das ist sehr französisch." Da lag es nahe, dass Järvi für seine Debüt-CD als neuer Chef des Orchesters französisches Repertoire wählte, Musik von Georges Bizet: neben der Sinfonie in C und der Orchesterfassung von "Jeux d'enfants", die weniger bekannte Suite "Roma".
Doch nicht nur das Orchestre de Paris, sondern auch Järvi selbst verbindet eine lange Geschichte mit diesem Komponisten. "Ich liebe Bizet", schwärmt Järvi, "ich finde ihn fantastisch und habe seine Musik schon als kleiner Junge in Estland geliebt: die Sinfonie in C, aber ich kannte von meinem Vater auch "Roma" und alles andere. Ich mag diese Sprache, die Musik reißt einen mit, lässt einen lächeln und fühlen, und Bizet ist ein melodisches Genie. Man kann nichts dagegen machen: Man hört - und liebt es."
Ein Spitzenensemble
Järvi und das Orchester haben offenbar einen guten Draht zueinander: Die Sifonie und "Jeux d'enfants" sind schwungvolle Live-Aufnahmen. Die blitzsaubere Intonation der Bläser und die gekonnt gespielten, wahnwitzig schnellen Passagen in den Streichern zeigen, dass Järvi es hier mit einem echten Spitzenensemble zu tun hat. Die melodiösen, geradezu opernhaften Momente in Bizets Musik sind besonders schön und farbig gelungen.
Trotzdem werden der neue Chef und das Orchester erst noch mehr zusammen wachsen müssen, um eine gemeinsame musikalische Vorstellung zu entwickeln. Das zeigt sich zum Beispiel an einigen motorischen Stellen, wie im Galopp aus "Jeux d'enfants". Das klingt streckenweise fast ein wenig etüdenhaft mechanisch mit wenig Linie - für Järvi völlig untypisch.
Eine große Herausforderung
Schon viele Male hat Järvi den Annährungsprozess mit einem Orchester durchlebt. Immer wieder sei das eine große Herausforderung, sagt er: "Was über den Erfolg bestimmt, ist der Versuch, sich gegenseitig zu vertrauen. Von einem so traditionsreichen Orchester wie diesem kann man natürlich nicht erwarten, dass es das bisherige einfach über Bord wirft und alles ganz anders macht. Am wichtigsten ist der Respekt. Man muss die Tradition des Orchesters respektieren. Denn dieses Orchester gab es lange vor meiner Geburt - und es wird auch noch lange nach meinem Tod bestehen."
http://www.ndr.de/kultur/klassik/ncdsbizet101.html
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