„Ein neuer Dirigententypus“

op-online.de
Von Dieter Kögel 
26.11.2012

Hanau - Sein Arbeitsplatz, das sind die Dirigentenpulte der großen Orchester dieser Welt. Dennoch wirkte der 1962 in Estland geborene Stardirigent Paavo Järvi bei der Verleihung des 7. Hanauer Paul-Hindemith-Preises im gleichnamigen Saal des Congress Parks überaus bescheiden und ohne jegliche Allüren. Von Dieter Kögel
 Der Este Paavo Järvi erhält aus der Hand von Oberbürgermeister Claus Kaminsky den mit 10.000 Euro dotierten Paul-Hindemith-Preis.

„Eine große Ehre“ sei es ihm, so der bereits vielfach international ausgezeichnete Järvi, den mit 10.000 Euro dotierten Preis entgegennehmen zu dürfen. Aber all das, für was er geehrt worden sei, komme ganz alleine durch die Musiker zustande, mit denen er zusammenarbeite. „Ich bin eigentlich der einzige auf der Bühne, der keinen Ton von sich gibt.“ Und so bezog Paavo Järvi auch alle die Musiker der Orchester, mit denen er bereits gearbeitet hat, mit in die Preisverleihung ein.
Schülerinnen und Schüler der Adolf-Schwab-Musikschule und der Paul-Hindemith-Musikschule führten mit kurzen Kompositionen Paul Hindemiths in die Feierstunde ein. Schön, im klassischen Sinne, wirkten die ausgesuchten Kompositionsbeispiele dabei nicht. Keine gefälligen, melodiösen und dem Ohr schmeichelnden Tonfolgen komponierte der 1895 in Hanau geborene Hindemith damals. Dafür die Zuhörer fordernde, der neuen Zeit des vergangenen Jahrhunderts folgende „musikalische Sachlichkeit“, wie es Hanaus Oberbürgermeister und Kulturdezernent Claus Kaminsky (SPD) ausdrückte.. Damit habe Hindemith die musikalische Welt seiner Zeit nachhaltig beeinflusst.
 Paavo Järvi sei „kein Dirigent, der, wenn er einmal etwas erarbeitet hat, immer das Gleiche macht,“ sagte Professor Jörg Widmann in seiner Laudatio. „Es reizt ihn, am zweiten Abend etwas anders zu machen.“ Das sei symptomatisch für den Dirigenten, der sich mit Erreichtem nicht zufrieden gebe, stets Neues suche und dabei durch den kollegialen Umgang mit den Musikern auch immer fündig werde. Denn die Musiker würden Paavo Järvi folgen. Sie schätzten seine Kollegialität ebenso wie seine fachliche Autorität, über die Järvi eben einfach verfüge, ohne sie in den Vordergrund stellen zu müssen.
Das weiß Widmann, der häufig mit dem Dirigenten zusammengearbeitet hat, aus eigener Erfahrung. Järvi sei bei der Umsetzung von musikalischen Werken nicht auf die Höhepunkte aus. Vielmehr lenke er den Blick auf deren Vorbereitung, setze die gesamte Komposition in Szene, folge dem Fluss der Musik, sorge dafür, dass die Zuhörer die Schönheit darin selbst entdecken können. Gleich einem Stadtführer, der den Plan in Händen habe, die Menschen führe, aber keineswegs nur auf die Attraktionen aus sei.
„Er geht seinen Weg,“ so Widmann, „er verkörpert den neuen Dirigententypus.“ Widmann, Professor für Klarinette und Komposition in Freiburg, widmete dem Geehrten nach seiner Laudatio ein eigenes Werk auf der Klarinette. Auch das Haba-Qurtett begeisterte die Muskliebhaber mit einem Auftritt während der Preisverleihung.
http://www.op-online.de/nachrichten/hanau/esten-paavo-jaervi-paul-hindemith-preis-hanau-2636722.html

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