Paavo Järvi und Andreas Haefliger in der Tonhalle Zürich
Neue Bürcher Seitung
Jürg Huber
Nov 2012
Das Orchestre de Paris unter der Leitung seines Chefdirigenten Paavo Järvi präsentierte in der Zürcher Tonhalle Stravinski und Debussy – sowie ein Klavierkonzert von Mozart mit Andreas Haefliger am Flügel.
Hundert Jahre und kein bisschen leise: Dass die im Mai 1913 uraufgeführte Partitur von «Le Sacre du printemps» kein Gramm Staub angesetzt und diese Ballettmusik ihre ungebärdige Wildheit bewahrt hat, bewies das Orchestre de Paris unter der Leitung seines Chefdirigenten Paavo Järvi im Rahmen der Migros-Kulturprozent-Classics-Tournee. Begonnen hatte die Aufführung in der Zürcher Tonhalle indes überaus gepflegt. Der Fagottist des Orchesters verriet eine beeindruckende Tonkultur, als er aus dem Nichts heraus sein Solo gestaltete, in das die andern Blasinstrumente allmählich einfielen – noch nicht mit jener geschärften Artikulation, die im weiteren Verlauf zuweilen den Atem stocken liess. Spätestens gegen Schluss des dritten Satzes war die Energie da: Die Schlagzeug-Sektion mit einem hervorragenden Paukisten an der Spitze trieb das Geschehen nun unerbittlich voran. Das Lyrische, etwa in der nächtlichen Stimmung der Introduktion zum zweiten Teil, hatte durchaus seinen Platz, wurde aber manchmal vom grossen Zug mitgerissen. Wie verstörend modern diese Musik immer noch wirkt, zeigte der brachiale Schlusssatz, den Järvi und sein Orchester mit trockenem Ton exekutierten.
Paradoxerweise ist es gerade Claude Debussys verfeinertes «Prélude à l'après-midi d'un faune», das solchen Klangeruptionen den Weg bereitet hat. Der Beginn litt am übermässigen Vibrato der Soloflöte, weshalb sich die verführerische Farbenpracht der Partitur in Järvis organischer Zeitgestaltung erst allmählich entfaltete. Raum zum Atmen liess der Dirigent auch bei Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert c-Moll KV 491. Andreas Haefliger nutzte ihn zu einer unprätentiösen, klanglich kultivierten Wiedergabe, bei der er besonders mit den Holzbläsern einen intensiven Dialog führte. Lust auf das Erkunden neuer Pfade verriet der Solist mit der Zugabe: «La Vie antérieure» des französischen Komponisten Karol Beffa ist ein kleines, eben erst uraufgeführtes Klavierkonzert, das munteres Motivspiel mit elegischer Stimmung verbindet.
http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/buehne_konzert/paavo-jaervi-und-andreas-haefliger-in-der-tonhalle-zuerich-1.17829691
Jürg Huber
Nov 2012
Das Orchestre de Paris unter der Leitung seines Chefdirigenten Paavo Järvi präsentierte in der Zürcher Tonhalle Stravinski und Debussy – sowie ein Klavierkonzert von Mozart mit Andreas Haefliger am Flügel.
Hundert Jahre und kein bisschen leise: Dass die im Mai 1913 uraufgeführte Partitur von «Le Sacre du printemps» kein Gramm Staub angesetzt und diese Ballettmusik ihre ungebärdige Wildheit bewahrt hat, bewies das Orchestre de Paris unter der Leitung seines Chefdirigenten Paavo Järvi im Rahmen der Migros-Kulturprozent-Classics-Tournee. Begonnen hatte die Aufführung in der Zürcher Tonhalle indes überaus gepflegt. Der Fagottist des Orchesters verriet eine beeindruckende Tonkultur, als er aus dem Nichts heraus sein Solo gestaltete, in das die andern Blasinstrumente allmählich einfielen – noch nicht mit jener geschärften Artikulation, die im weiteren Verlauf zuweilen den Atem stocken liess. Spätestens gegen Schluss des dritten Satzes war die Energie da: Die Schlagzeug-Sektion mit einem hervorragenden Paukisten an der Spitze trieb das Geschehen nun unerbittlich voran. Das Lyrische, etwa in der nächtlichen Stimmung der Introduktion zum zweiten Teil, hatte durchaus seinen Platz, wurde aber manchmal vom grossen Zug mitgerissen. Wie verstörend modern diese Musik immer noch wirkt, zeigte der brachiale Schlusssatz, den Järvi und sein Orchester mit trockenem Ton exekutierten.
Paradoxerweise ist es gerade Claude Debussys verfeinertes «Prélude à l'après-midi d'un faune», das solchen Klangeruptionen den Weg bereitet hat. Der Beginn litt am übermässigen Vibrato der Soloflöte, weshalb sich die verführerische Farbenpracht der Partitur in Järvis organischer Zeitgestaltung erst allmählich entfaltete. Raum zum Atmen liess der Dirigent auch bei Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert c-Moll KV 491. Andreas Haefliger nutzte ihn zu einer unprätentiösen, klanglich kultivierten Wiedergabe, bei der er besonders mit den Holzbläsern einen intensiven Dialog führte. Lust auf das Erkunden neuer Pfade verriet der Solist mit der Zugabe: «La Vie antérieure» des französischen Komponisten Karol Beffa ist ein kleines, eben erst uraufgeführtes Klavierkonzert, das munteres Motivspiel mit elegischer Stimmung verbindet.
http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/buehne_konzert/paavo-jaervi-und-andreas-haefliger-in-der-tonhalle-zuerich-1.17829691
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