Inexorable flow - Article from FAZ am Sonntag in Frankfurt

Unaufhaltsamer Fluss

FAZ am Sonntag - Kultur
VON HARALD BUDWEG

Paavo Järvi dirigiert Erkki-Sven Tüürs "Magma" FRANKFURT. Der Begriff "Magma" könnte auch auf Programm-Musik verweisen. Doch er scheint ein treffend gewählter Titel für die vierte Sinfonie des estnischen Komponisten Erkki-Sven Tüür. Denn das 2002 konzipierte, bei einem Beitrag des hr-Sinfonieorchesters unterder Leitung seines Chefdirigenten Paavo Järvi zum "Auftakt"-Festival der Alten Oper gespielte Werk ist dadurch charakterisiert, dassTüürs Gespür für spannungsreiche Kontraste, ein Kennzeichen seinesPersonalstils, in ein Klangfluss-Kontinuum eingebunden wird, das ungeachtet zahlreicher Perkussionselemente den Eindruck von Flächigkeit hinterlässt. Tüürs Sinfonie ist eine Musik für umfangreichesSolo-Schlagzeug und Orchester und wurde der vorzüglichen Musikerin Evelyn Glennie sozusagen auf den Leib geschrieben. Die Solistin zeichnet sich durcheine zuweilen atemberaubende Behendigkeit spielerischer Aktionen, aber auchdurch eine differenzierte Geschmeidigkeit ihrer Technik aus. Beides steht in Tüürs Opus immer wieder im Mittelpunkt. Dennoch ist es keinSchlagzeugkonzert mit Orchesterbegleitung geworden. Die Solistin scheintvielmehr eingebunden in einen Prozess der Verflüssigung, Erstarrung, Verschmelzung, Verzweigung. Die pausenlos gespielten vier Abschnitte einer sinfonischen Form sind akustisch deutlich auszumachen,optisch zudem nicht minder eindeutig, weil Evelyn Glennie in jedem Abschnitt die Position für ihr jeweils unterschiedliches Instrumentariumwechseln muss. Dass der Komponist in jungen Jahren eine Rockgruppegeleitet hat, scheint in einem scherzoartigen Formteil seiner Sinfonie durch. Die Solistin traktiert hier ein "normales" Drumset aufabenteuerlich virtuose Weise. Sobald sie über die Bühne zur Marimbaschreitet, beginnt der vorletzte Abschnitt. Hier kommt die Musik erstmals zur Ruhe. Am Ende wird thematisch ein Bogen zum Beginn geschlagen. Das Werkklingt unspektakulär aus, ist aber dennoch ein facettenreiches,emotional packendes, in mancher Hinsicht polystilistisches und doch eigenständiges Musikstück. Nicht nur Evelyn Glennie erhielt für ihreexorbitante Leistung überaus herzlichen Beifall, auch der anwesendeKomponist wurde freudig begrüßt. Chefdirigent Paavo Järvi, der das Konzert mit Wagners "Meistersinger"-Vorspiel recht pauschal begonnen hatte,überzeugte nach der Pause mit einer konsequenten Interpretation der SinfonieNr. 1 c-Moll op. 68 von Brahms. Mit ausgefeilter Dynamik und klarem Interpretationsakzent auf Binnenstrukturen ging es dabeiweniger um die Frage, ob Brahms Beethoven weiterdenkt, sondern darum, welchenBeitrag er für die Entwicklung im 20. Jahrhundert geleistet haben mag.

FAZ am Sonntag

Paavo Järvi conducts Erkki-Sven Tüür's "Magma"by Harald Budweg FRANKFURT.

The term "Magma" could refer to program music. But itis a well chosen title for the fourth symphony of Estonian composer Erkki-Sven Tüür: the work (from 2002) that was nowplayed by hr-Sinfonieorchester under chiefconductor Paavo Järviat the "Auftakt-"Festival is characterized by Tüür's feeling forcontrasts that are full of tension - a mark of his personal style - that are integrated in a sound-flow-continuum thatleaves the impression of planeness inspite manypercussion-elements. Tüür's symphony is a music for big solo percussion and orchestraund was written for the extraordinary musician Evelyn Glennie. The soloist shows breathtaking agility in playful actions and adifferentiated suppleness of technique. Both often stands in themiddle of Tüür's opus. But nevertheless, it's no percussionconcerto with accompanying orchestra. The soloist is integrated in the process of liquidization, coagulation, melting andbranching. The four parts of the symphonic form that followwithout a pause are clearly indicated arcustically, opticallynot the less because Evelyn Glennie changes the position to the different instruments in every part. That the composer lead a rockgroup in younger years is obviousin the Scherzo-like part of his symphony. The soloist uses a"normal" drumset in this part in adventourous virtuoso way . When she moves over to the marimba, the last but one partstarts. Here, the music gets calm for the first time. In theend, there is thematically a return to the start. The workfinishes unspectacular, but it is a grapping, polystylistic and still independent piece of music. Not only Evelyn Glennie got alot of applaus for her exorbitnt work, also the composer gotvery friendly ovation. Chiefconductor Paavo Järvi who had opened the concert quite global with Wagner's "Meistersinger"-Vorspiel, convinced afterthe intermission with a forceful interpretation of symphony no.1 by Johannes Brahms. With sophisticated dynamics and a clearaccent in the interpretation on the inner structures, he was not so much focussing on the question whether Brahms continues thethinking of Beethoven, but which role Brahms played for thedevelopments in the 20th century.

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