Frank Peter Zimmermann spielt Hindemith

NDR.DE
Friederike Westerhaus
13.05.2013

Frank Peter Zimmermann  Fotograf: Franz Hamm 
Frank Peter Zimmermann findet, Hindemiths Musik stecke voller Gefühle. Das will er mit seiner Aufnahme beweisen.

2013 ist das Jubiläumsjahr von Richard Wagner, Giuseppe Verdi und Benjamin Britten. Ein Komponist fällt da leicht unter den Tisch: Paul Hindemith. Vor 50 Jahren starb er in Frankfurt am Main - auch das ist ein Anlass für ein besonderes Gedenken.
Das HR-Sinfonieorchester aus Frankfurt hat zusammen mit dem Weltklasse-Geiger Frank Peter Zimmermann das Violinkonzert von Hindemith eingespielt. Ein Werk, das Zimmermann bereits seit 18 Jahren in seinem Repertoire hat und immer wieder spielt. 2010 wurde ihm der Hindemith-Preis der Stadt Hanau verliehen. Der ging im vergangenen Jahr an den Dirigenten dieser Aufnahme, den Esten Paavo Järvi. Auch er ist ein großer Hindemith-Fan.
Außerdem befinden sich auch Violinsonaten von Hindemith auf dieser CD.

Eine lebendige Nahaufnahme

Paul Hindemith hat nicht den Platz, der ihm gebührt - davon ist Zimmermann absolut überzeugt: "Das ist zum Teil großartige, wirkliche Gefühlsmusik, nicht dieser trockene Hindemith, von dem man immer spricht. Ich glaube, dass das einfach in den 30er-Jahren durch die Nazis und dann auch nach dem Zweiten Weltkrieg leider vor allem durch Herrn Adorno ein bisschen kaputt gemacht worden ist. Ihm geht alles so leicht von der Feder und trotzdem hat es etwas ganz Tiefes."
Einen besseren Anwalt als Zimmermann hätte sich Hindemith nicht wünschen können. Trocken ist hier rein gar nichts, sondern kraftvoll und lebendig, dann wieder voller Leichtigkeit und auch mal augenzwinkernd. Die Sonaten wirken, als würde man an Hindemith heranzoomen, eine Nahaufnahme.
Im 1939 geschriebenen Violinkonzert geht der Zoom wieder zurück, das Umfeld wird deutlicher sichtbar. Es sei eine Zeit der Destruktion, der Industrialisierung, der Maschinen gewesen - all das stecke in dieser Musik, sagt Dirigent Järvi. Hindemith sei ein Meister in der Orchester-Behandlung gewesen, alles sei sehr farbig, mit vielen Nuancen.

Fantastische Interpretation

Nicht nur für die Solo-Violine, sondern auch für das Orchester ist das Violinkonzert hoch anspruchsvoll. Hindemith spielte Geige, Bratsche und diverse Blasinstrumente und wusste genau, wie weit er die Grenzen ausreizen konnte.
Den ungeheuren Reiz dieser Musik entdeckt man allerdings nur, wenn die Interpreten so fantastisch wie hier die unterschiedlichen Ebenen der Musik herauskitzeln. Sie verkrampfen nicht angesichts der äußerst komplexen und recht sperrigen Schreibweise, sondern finden zu einem freien Umgang beispielsweise mit den ausschweifenden, weit gesponnenen Phrasen.
Einfach sei das nicht, gibt Zimmermann zu: "Man muss immer zählen. Wenn man sich ein bisschen gehen lässt, dann wackelt das sofort. (...) Das ist auch der Grund, weswegen ich sein Violinkonzert nie auswendig spielen möchte. Wenn die kleinste Kleinigkeit passiert, kann man aufhören und wieder irgendwo anfangen."
Järvi ist ebenfalls ein großer Hindemith-Freund und -Kenner. Eine Facette fehlt Hindemiths Musik allerdings, glaubt er: Hindemiths Musik sei witzig, sehr gut gesetzt, bedeutungsvoll, aber sie sei nicht sinnlich - Sex-Appeal habe sie nicht! Auch eine mögliche Erklärung, warum es Hindemiths Werke nicht leicht haben.

http://www.ndr.de/kultur/klassik/hindemith103.html

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