Gegen alle Klischees

Klassik.com
Stefan Drees
15.11.2013


Hindemith, Paul - Violinsonaten & Konzerte

Frank Peter Zimmermann präsentiert eine phänomenale Einspielung unterschiedlicher Kompositionen Paul Hindemiths.
Es sei vorweg gesagt: Was Frank Peter Zimmermann auf dieser SACD-Produktion des Labels BIS mit der Musik des 1963 verstorbenen Paul Hindemith anstellt, ist phänomenal. Fast scheint es, als habe sich der Geiger eine Liste mit all jenen Klischees vorgenommen, die über den Komponisten im Umlauf sind, um sie mit seiner Einspielung zu widerlegen. Dies tut er, indem er insgesamt fünf Kompositionen präsentiert, die auf unterschiedliche Weise über die profunden Kenntnisse Hindemiths von der Violine und ihren spieltechnischen wie klanglichen Möglichkeiten Zeugnis ablegen. Den Anfang macht eine elektrisierende Aufnahme des optimistischen, sinfonisch konzipierten Konzerts für Violine und Orchester (1939), das Zimmermann gemeinsam mit dem Radiosinfonieorchester Frankfurt unter Leitung Paavo Järvi zu Gehör bringt.
Man glaubt diesem Gespann die Freude an der Darstellung des immer noch eher selten aufgeführten Werkes unmittelbar anzuhören: Gleich zu Beginn artikuliert sich auf beiden Seiten ein in höchstem Maße gespanntes, voller Energie steckendes Musizieren, das dem Solisten immer wieder Raum für klanglich zarte Passagen oder wohlklingende Kantilenen gibt. Von der Aufnahmetechnik exzellent unterstützt, bleibt das musikalische Geschehen selbst in den massiven Tuttipassagen des Werkes transparent, während die ausgedünnteren Abschnitte eine geradezu kammermusikalische Intensität erreichen. Zimmermanns ideen- und abwechslungsreiche Gestaltung des Violinparts – das Dialogisieren mit solistisch eingesetzten Holzbläserstimmen, die gewitzte Umsetzung von Akkorden oder Laufwerk und vor allem die im Vibrato sorgfältig abgestufte Formung melodischer Linien, die im Mittelsatzes ihren klanglichen Höhepunkt erreicht –, hebt diese fantasievolle Einspielung weit über den Durchschnitt und macht das Hören zu einem Vergnügen.
Hindemiths kammermusikalischer Auseinandersetzung mit der Violine widmen sich Zimmermann und sein ständiger Klavierpartner Enrico Pace in der Sonate in Es für Violine und Klavier op. 11 Nr. 1 (1918), der Sonate in E für Geige und Klavier (1935) und der Sonate in C für Geige und Klavier (1939). Auch hier ist nicht die geringste Spur von unterkühltem oder trockenem Musizieren zu entdecken; stattdessen überraschen die Musiker mit einer ebenso affektreichen wie poetischen Darstellung dieser drei Kompositionen: Die Leidenschaft, mit der die Sonate in Es anhebt, um dann bereits kurz darauf in einen fein gesponnenen Dialog zu münden, die bisweilen höchst klangsinnliche Darstellung der strengen Schlussfuge aus der Sonate in C, der rhythmisch elastische Zugriff auf die eng miteinander verschränkten Stimmen im Kopfsatz der Sonate in E oder die ins Fahle abgetönten Klangfarben im zweiten Satz der Sonate in Es gehören zu den stärksten Momenten dieser an Höhepunkten so reichen Produktion.
Zwischen diese beiden gewichtigen Blöcken mit Orchester auf der einen und Klavier auf der anderen Seite hat Zimmermann noch eine von Hindemiths Solosonaten, nämlich die Sonate für Violine allein ('Es ist so schönes Wetter draußen') op. 31 Nr. 2 (1924), geschoben. In diesem Stück lassen sich die Qualitäten des Geigers in Reinkultur ohne Mitwirkung anderer Musiker bewundern, treten seine Sicherheit in der Intonation, die überlegte Gestaltung von Spannungsaufbauten oder – wie im Variationssatz – der selbst auf kleinstem Raum voller klanglicher Varianten und Spielwitz steckende Zugriff ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Auch dies trägt letzten Endes zum Gelingen dieser musikalisch lohnenden Veröffentlichung bei, die Hindemiths Musik zu einem abwechslungsreichen und vielschichtigen Ereignis werden lässt.
Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert:
Booklet:

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