Jansen spielt Beethoven und Britten

18.11.2009
Codex Flores


Historisch ist die Assoziation zwar vollkommen schief (wir leisten unverzüglich Abbitte); dennoch drängt sie sich auf: Da legen die Geigerin Janine Jansen und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen unter der Leitung von Paavo Järvi eine Aufnahme von Beethovens Violinkonzert vor, die wirkt, als hätte Botticelli den Pinsel geführt: helle, transparente Farben, klarer Strich, liebevolle Exaktheit in den dynamischen und rhythmischen Details – der Bonner Meister, ein Renaissance-Künstler?

Was für eine Solistin, was für ein Orchester! Selten hört man das Konzert, das zu seiner Zeit als unspielbar galt, so frei vom Ringen um die richtige Form, das ausufernde Skalenwerk des Solopartes, das zum mechanischen Etüdensägen verkommen kann, so organisch und selbstverständlich sich entfalten. Die niederländische Geigerin, die hier einmal mehr Zeugnis ihrer Jahrhundertbegabung ablegt, erklärt im Booklet, sie habe befürchtet, ihr Interpretationsansatz könnte «zu romantisch sein». Dabei wirkt die Einspielung schon fast wie ein antiromantisches Manifest, welches das gigantische Repertoirestück überraschend modern wirken lässt. Dies mag auch am Orchester liegen. Selten wird Beethoven so präzise und in der dynamischen und rhythmischen Mikrostruktur so fein und durchsichtig durchgearbeitet. Das ist Beethoven fürs 21. Jahrhundert: nicht revolutionär, nicht aufbegehrend, sondern einfach souverän, in sich stimmig und von kathartischer Schönheit.

Brittens Violinkonzert, das Jansen und Järvi mit dem London Symphony Orchestra auf diese CD gebracht haben, verbindet mit demjenigen Beethovens eigentlich nur der Auftakt mit einem Paukenmotiv: ein düsteres Stück Musik, das etwa ähnlich einschüchtert wie die dunkeln Holztäferungen britischer Herrschaftshäuser. Auf dem Kontinent wird es selten gespielt und kaum verstanden (noch vor zwei Jahren schrieb der NZZ-Kritiker anlässlich einer Wiedergabe am Lucerne Festival durch Frank Peter Zimmermann, es sei «gewiss ehrenwert, aber doch eigentlich unsäglich» – ein erstaunliches Urteil). Ganz anders der Eindruck Jansens. Sie erklärt, die «unglaubliche Verzweiflung und die düstere Stimmung» liessen sie erzittern und «jedes Mal klein und verloren fühlen», wenn sie es höre.

So spielt sie auch. Und so wird sie zur überzeugenden Botschafterin für ein grossartiges Stück Musik, dessen Wert im deutschsprachigen Raum möglicherweise erst gewürdigt wird, wenn Vorbehalte gegenüber der im Populären geerdeten britischen Musikkultur des 20. Jahrhunderts sich etwas verlieren.
(cf)

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