Eine Insel strahlender Gesundheit

Kreiszeitung.de
Von Ute Schalz-

LaurenzeBREMEN (Eig. Ber.)



Sicher hat der eine oder andere Hörer mal gedacht, nun reicht es auch mit dem Beethoven bei Paavo Järvi und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen.

Dass aber gerade diese vielen so erfolgreichen Aufführungen in aller Welt eben nicht eine falsche Routine fördern, sondern im Gegenteil zu immer neuer Aufmerkamkeit und Spannung verlocken, war in der Zugabe des jüngsten Premierenkonzertes zu hören: Der letzte Satz aus Beethovens 1. Sinfonie kam als nicht weniger als eine Explosion daher. Järvi selbst hatte in einer Pressekonferenz vor ein paar Tagen gesagt, dem Orchester muss nun mal eine andere Sprache abverlangt werden. Man entschied sich für die große Liebe Järvis, Robert Schumann: „Er war der erste Komponist, den ich als Jugendlicher wirklich geliebt habe“. Der Dirigent hat gerade seinen Vertrag bis 2011 verlängert.

Nach der Interpretation der vierten Sinfonie in der vergangenen Spielzeit erklang nun die dritte „Rheinische“, jenes scheinbar jubelnd vorwärtsstürmende Werk, das der schon kranke Schumann für seinen so positiven Empfang in Düsseldorf schrieb: „Wohin mit der Rheinischen, so lange sie uns rätselhaft isoliert als eine Insel strahlender „Gesundheit“ in einem Meer von Resignation und „Krankheit“ schwimmt?“ fragt der Dirigent und der Musikwissenschaftler Peter Gülke. Järvi und die Deutsche Kammerphilharmonie boten eine Interpretation, die die Antwort auf sehr persönliche Weise gab: aus der Genauigkeit der Anweisungen in der Partitur entstand ein Werk der Wildheiten, der Spontaneitäten, der Apruptheiten, kurz: ein Werk geboren aus der romantischen Improvisation – wie auch schon bei vierten zu erkennen war - und nicht aus der eigentlich noch immer gültigen thematischen Arbeit eines Beethoven. Ohne jeden Schatten von Beethoven betonte Järvi das Nicht-Organische und mehrere Male war man dermassen überrascht von Schumanns Einfällen, dass hier tatsächlich ein ganz neuer Blick auf Schumann gelingen könnte.

Schumanns unbestreitbare Modernität wurde in einen wundersamen Kontext gebracht: Richard Strauss' Oboenkonzert in D-Dur aus dem Jahr 1945 beschwört Mozart und die Tonalität. Auch wenn der Oboenpart zu Recht eines der tollsten Referenzkonzerte des Instruments ist, so erledigt sich dadurch nicht die Frage nach dem Warum – der Komposition und der Aufführung – einer derart anachronistischen Süsslichkeit. Zugegeben, es war von Francois Leleux als Debut bei der Kammerphilharmonie hinreißend gespielt, und im Orchester hörte man klangschöne Transparenz statt wie meist in Interpretationen des Werks etwas fettige Begleitung, aber das reicht nicht. Nach kurzer Zeit ist das Stück ebenso überflüssig wie langweilig.

Nicht so Strawinsky mit seiner Pulcinella-Bearbeitung (von Pergolesi und anderen), dessen subjektive Deutung des alten Textes mit Kraft, vor allem Witz daherkommt, immer regelrecht reflexiv gebrochen, was Strauss vollkommen fremd ist. Auch hier überzeugte der freche, mit Lust an der Mechanisierung gestaltete Ton der Wiedergabe. Das Konzert wird morgen als 5. High-Light-Konzert wiederholt.

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