Eine echte Herausforderung

Frankfurter Neue Presse
Detlef Kinsler
21.06.2012
Tonmeister Christoph Claßen (l.) zusammen mit Chefdirigent Paavo Järvi bei den letzten Vorbereitungen für das Konzert im Kloster Eberbach. Foto: Kinsler

Das klingt tatsächlich nach einer Vorbestimmung. Christoph Claßen ist Tonmeister und wusste schon früh, dass er sich zu diesem Beruf berufen fühlte. "Weil ich aus einem musikalischen Haus komme, beide Eltern Musiklehrer waren und ich selber Klavier und Geige gespielt habe", erzählt er. Aber da war immer auch eine Affinität zur Technik.

"Ich hatte mir zu Weihnachten meine erste Philips-Tonbandmaschine gewünscht, mit der ich Dinge zusammenmischen konnte. So habe ich als Jugendlicher schon kleine Hörspiele gemacht und dann Aufnahmen vom Schulorchester." Als dann eine CD entstehen sollte, assistierte er bei dem professionellen Produzenten. "Da stand es dann für mich endgültig fest, ich war ungefähr in der 10. Klasse und habe das dann ziemlich geradlinig weiter verfolgt."

Claßen, Jahrgang 68, zog vom Ruhrgebiet zum Studium nach Berlin, über Niederbayern kam er nach Frankfurt und zum Hessischen Rundfunk, wo er 1993 als Jung-Tonmeister erste Aufnahmen machte und seit 2010 angestellt ist. Zusammen mit dem Toningenieur am Mischpult ist er als Aufnahmeleiter und Mann mit den Partituren dafür verantwortlich, das Klangbild des Klangkörpers im Sinne des Chefdirigenten Paavo Järvi optimal zu gestalten. Neben der Arbeit beim HR erlaubt ihm eine Nebentätigkeitsgenehmigung (so das Amtsdeutsch) auch Produktionen außer Haus. So war er gerade in Italien, um dort mit dem Barockensemble Accademia Bizantina und Geiger Giuliano Carmignola Vivaldi-Konzerte einzuspielen, davor reiste er in die Schweiz, um mit Pierre-Laurent Aimard Debussy in La Chaux-de-Fonds aufzunehmen. Neben dem französischen Starpianisten, dessen Kollegen Alfred Brendel und Lang Lang sowie dem Klavierstimmer Stefan Knüpfer als eigentlichem Hauptdarsteller war Claßen 2009 im außergewöhnlichen Dokumentarfilm "Pianomania" zu sehen, Untertitel "Auf der Suche nach dem perfekten Klang".

"Perfektion gibt es nicht", lautet dann die überraschende Aussage des Mannes, dem man zuschreibt, ihm entgehe keine schiefe Note. "Das ist schlichtweg gelogen", lacht er, "denn man findet dann auf den fertigen Aufnahmen immer noch mal ein falsches Tönchen." In der Rolle des ersten Zuhörers, der das Endprodukt schon im Kopf haben muss, bevor es fertig ist, spiegelt er dem Musiker, was er hört. "Das war vielleicht nicht perfekt, aber musikalisch so toll, dass es lohnt darüber nachzudenken, es vielleicht so zu belassen", könnte er dann vorschlagen. In der Kommunikation mit Künstler ist auch Diplomatie und ein wenig Psychologie gefragt, und zum komplexen Berufsbild gehören auch Management-Fähigkeiten, wenn zum Beispiel ein großes Orchester, ein Chor und viele Gesangssolisten zusammenkommen. "Zehn Tage im Studio eine komplette Oper aufzunehmen, das ist eine ganz andere Hausnummer, da muss man genau darauf achten, dass alles im Kasten ist", betont Claßen. Für seinen Anteil an der "Tannhäuser"-Einspielung im Madison Square Garden unter Daniel Baremboim bekam der Frankfurter einen begehrten Grammy. "Das ist natürlich eine tolle Sache, und ich habe mich darüber auch wahnsinnig gefreut. Es ist eine Anerkennung für etwas, wofür du dich richtig ins Zeug gelegt hast."

Morgen ist Christoph Claßens Arbeitsplatz ein Aufnahmewagen beim 25. Jubiläum des Rheingau Musik Festivals. Auf dem Programm des Eröffnungskonzertes steht Carl Orffs "Carmina Burana" im Kloster Eberbach. "Die Basilika ist ein gigantischer Raum, ein Konzert da zu sehen, ist ein Erlebnis", weiß Claßen. Ein hundertköpfiges Orchester, dazu 50 Personen im Chor – mit kleinem Hörfunk- und größerem Fernsehteam sind fast 200 Leute involviert. Das ist akustisch und logistisch immer wieder eine Herausforderung.

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