Schönspieler auf hartem Kurs

OP-online.de
Klaus Ackermann
08/09/2012

„Auftakt“ mit Lang Lang und hr-SinfonikernFrankfurt - Spektakulärer könnte der Saison-„Auftakt“ des hr-Sinfonieorchesters in der Alten Oper kaum sein. Denn kein Geringerer als der vielzitierte Pianist Lang Lang zeigt es seinen Kritikern, die ihn gern als Weichspüler in den Senkel stellen.Von Klaus Ackermann


Paavo Järvi und Lang Lang in der Alten Oper.

Zumindest bei Prokojews 3. Klavierkonzert, vielleicht das bedeutendste des 20. Jahrhunderts, holte der Chinese den Hammer heraus, enorm konditioniert, die Kraft gut einteilend und technisch nahezu perfekt auch in den filigraneren Passagen dieses Virtuosen-Alptraums. Eine Lanze brach zudem Paavo Järvi für den Russen Sergej Rachmaninow, dessen 3. Sinfonie zwar in der Spätromantik fußt, der freilich in der rhythmisch geschärften Wiedergabe des estnischen Chefdirigenten der Moderne durchaus etwas abgewinnen konnte.

„Auftakt“-Komponist ist in diesem Jahr der Münchner Jörg Widmann, auch als Klarinettist auf internationalen Konzertpodien daheim, der mit dem 2006 komponierten „Armonica“ einem raren Instrument zu Ehren verhilft. Benjamin Franklin, einer der Gründungsväter der USA, hat nicht nur den Blitzableiter erfunden, sondern auch die Glasharmonika perfektioniert, deren kühle, aber erhaben aus den Orchester ragenden Töne von der Wienerin Christa Schönfeldinger reguliert werden. Das ist Sphärenmusik mit einer Vorspielerin, deren gläserner Klang vom Orchester aufgesogen wird.

Nach derlei orchestralem Feinstrick dann ein stählern harter Einstieg ins Prokofjew-Klavierkonzert mit seinen grotesken Wenden, den treibenden Rhythmen, den zielstrebig angepeilten dynamischen Spitzen, die den cool agierenden Lang Lang nicht erschüttern können. Der dicht eingebunden ist ins zuweilen nahezu gemütvolle Spiel der Holzbläser und tiefen Streicher, das sich wie Nebelfelder auflöst. Hart und trocken das finale Allegro, urplötzlich abgerissen – und die Bravo-Rufer prompt reizend. Es darf ein neuer Lang Lang gefeiert werden, der alte spult dann noch das Chopin-Nocturne cis-Moll in so (bekannt) zögerlichen Tempi ab, dass dessen Zierrat im Diskant wie Puderzucker staubt.

Schließlich ein Rachmaninow der zwingenden sinfonischen Entwicklungen hin zu süffigem Melos. Aus einer Zeit die sich längst anderen modischen Doktrinen unterworfen hatte. Das Ächzen und Stöhnen darüber scheint der Russe gleich mit komponiert zu haben, was Paavo Järvi akribisch darlegt, auch mit Blick auf originelle Instrumentation. Das hat zwar melodisch ein russisches Idiom, bringt die reizvolle Liaison zwischen Horn, Harfe und Solovioline als reinen Schöngesang, schaukelt sich aber zu schneidendem Blech und Streicher-Spuk hoch.

Die Hoffnung auf erlösendes Dur ist trügerisch. Schließlich war der im amerikanischen Exil Lebende depressiv. Jörg Widmanns „Souvenir bavarois“ weckt die fröhlicheren Lebensgeister, bayerische Marschmusik, orchestral eingeseift und bizarr umgedeutet. Was haben wir gelacht …
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