Die Zukunft kennen lernen


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THOMAS AHNERT
24.10.2016


Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen war das Reiseziel einer Kissinger Delegation. Sie ist das Festivalorchester 2017.
Die Kissinger hielten beim Empfang nach dem Konzert am längsten durch, und nicht nur sie: Paavo Järvi (2. von rechts) im Gespräch mit Thomas Leiner, Tilman Schlömp, Erna Buscham, Hans Otto (Leiter des Künstlerischen Managements) und Elisabeth Müller. Foto: Thomas Ahnertdes
Am Anfang war ein Name: Deutsche Kammerphilharmonie Bremen - für die meisten Kissinger ein ziemlich unbeschriebenes Blatt. Aber es ist das Orchester, das am 16. Juni 2017 im Großen Saal des Regentenbaus das Eröffnungskonzert des Kissinger Sommers geben wird und das bis 2021 als Festivalorchester präsent sein wird.
So etwas hat es in den zurückliegenden 30 Jahren noch nicht gegeben. Die Ankündigung sorgte nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch im Stadtrat für eine gewisse Verunsicherung. Und da Reisen bildet und Informationslücken schließen kann, machte sich eine zwölfköpfige Delegation um Oberbürgermeister Kay Blankenburg und 3. Bürgermeister Thomas Leiner mit Vertretern der Fraktionen und der Kulturverwaltung auf zu einem Ausflug an die Weser (Intendant Dr. Tilman Schlömp stieß, aus dem Urlaub kommend, in Bremen zu der Gruppe).


Ziemlich dichtes Programm

Hans Otto, der Leiter des Künstlerischen Managements des Orchesters, hatte ein Programmpaket geschnürt, das es in sich hatte. Dass die Stadt sich gerade mitten in ihrem "Freimarkt", einem 14-tägigen Volksfest mitten in der Stadt befand, war nur eine Randerscheinung. Die Gruppe besichtigte das prächtige historische Rathaus, den Sitz des Bremer Senats - nicht ohne dem Ratskeller einen Besuch abzustatten. Eine Führung durch die "Glocke" schloss sich an - ein Gebäudekomplex direkt neben dem Dom, der heute, nach mehreren Umbauten unter anderem zwei Konzertsäle beherbergt. Der Größere der beiden hat 1500 Plätze, also etwa 250 mehr als der Große Saal im Regentenbau. Hier trägt die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen ihre "Heimspiele" aus. Sämtliche Konzertreihen sind nach Auskunft von Geschäftsführer Albert Schmitt ausabonniert.

Und dann ging es noch zur "Alten Stadtwaage", dem ältesten erhaltenen Gebäude Bremens, in dem die Kammerphilharmonie ihren Verwaltungssitz hat. Da bekamen die Gäste Einblicke in die Geschichte und Struktur des Orchesters. Der Klangkörper, der heute 55 feste Mitglieder hat und sich bei Bedarf auch verstärken kann, wurde 1980 von Musikstudenten in Frakfurt/Main gegründet. Nach der Institutionalisierung als professionelles Kammerorchester folgte 1992 der Umzug nach Bremen. Die Kammerphilharmonie gestaltet jährlich vier Abonnement-Reihen, Sonderkonzerte, eine Kammermusikreihe, ein Open-Air-Festival und ist viel unterwegs. Das Repertoire reicht vom Barock bis zur Gegenwart, von der großen Sinfonie bis zur Kammermusiker. Daneben veranstalten die Musiker seit 1992 Konzerteinführungen und Workshops und pflegen die Zusammenarbeit mit Schulen und Erwachsenenbildungsinstituten. Seit 2007 hat das Orchester seine Probenräume in der Gesamtschule Bremen-Ost. Dadurch entstanden besondere Projekte und Kooperationen mit der Schule.
Künstlerischer Leiter ist seit 2004 Paavo Järvi. Berühmt geworden und hoch dekoriert wurden die Einspielungen der Sinfonien Beethovens. Im Moment ist Brahms auf dem Plan.


Musiker als Gesellschafter
Interessant sind die strukturellen und finanziellen Aspekte. Die Deutsche Kammerphilharmonie ist als Privatunternehmen organisiert, in dem die Musiker alleinige Gesellschafter sind. Damit sind sie nicht nur für die künstlerische, sondern auch für die wirtschaftliche Seite verantwortlich. 72 Prozent der finanziellen Mittel erwirtschaftet das Orchester selbst (42 Prozent Honorare, 30 Prozent Sponsoring). 28 Prozent gibt die öffentliche Hand. Das ist durchaus sensationell, denn normalerweise ist es genau umgekehrt.
Und natürlich ging's abends in die "Glocke" zum Konzert. Dass ausgerechnet Lang Lang der Solist bei Mozarts Klavierkonzert KV 491 war, war eine glückliche Fügung des Schicksals. Denn der 34-Jährige ist, seit er mit Nikolaus Harnoncourt zusammengearbeitet hat, ein wunderbarer Mozart-Spieler geworden, der seine Attitüden gegen Musikalität ausgetauscht hat.

Aber interessanter war natürlich das Orchester, das darüber hinaus Mozarts Don-Giovanni-Ouvertüre und die 2. Sinfonie von Johannes Brahms spielte. Es erwies sich als ein Ensemble, das in seiner Zusammenarbeit enorm frei geworden ist, das ausgezeichnet aufeinander hört, außerordentlich plastisch musiziert und einen ausgezeichneten Kontakt zu seinem Dirigenten pflegt. Oder anders gesagt: dem seine Tätigkeit offensichtlich großen Spaß macht.

Blick voraus nach Bad Kissingen
"Wir freuen uns sehr auf Bad Kissingen. Wir kommen ja nicht zum ersten Mal", sagt Paavo Järvi. Der Große Saal ist für ihn und seine Leute ein wichtiger Raum. Denn hier haben sie ihre erste Beethoven-Sinfonie eingespielt, die ihnen den Weg zu den großen Plattenfirmen ebnete. Järvi spricht mit großer Begeisterung von seinen Leuten: "Das sind Musiker , die so frei geworden sind, dass sie auch spontane Risiken eingehen können, weil sie sich aufeinander verlassen können. Das sind die Momente, in denen die Musik wirklich beginnt."

In Bad Kissingen wird sich das Orchester auch aus dem Regentenbau hinausbegeben und auf sein Publikum zugehen. In Planung, so Tilman Schlömp, sind bereits einige Projekte, insbesondere für die Jugend.


http://www.infranken.de/regional/bad-kissingen/Die-Zukunft-kennen-lernen;art211,2276836

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