Paavo Järvis Debüt in St. Michaelis

Paavo Järvis Debüt in St. Michaelis

Von Stefan Grund

Redakteur


Paavo Järvi dirigiert

Quelle: pa/dpa/Fredrik von Erichsen

 


Beim Gastpiel im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festival glänzte die Deutschen Kammerphilharmonie Bremen im Michel unter Leitung von Paavo Järvi mit drei Londoner Haydn-Sinfonien in D-Dur und einer beseelten Zugabe.

 

Dirigent Paavo Järvi leitet die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen seit knapp 20 Jahren, doch auch nach zwei Jahrzehnten gibt es noch echte Premieren. So gab der estnische Dirigent jetzt im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) sein Debüt in der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis. Seine 40-köpfige Kammerphilharmonie allerdings kennt den Saal, der nicht zwingend als Konzertsaal konzipiert ist und der doch ein gutes Frontalorchester-Erlebnis ermöglicht. Gemeinsam gelang es dem Dirigenten und seinen Instrumentalisten, das Konzert zu einem wundervollen Haydn-Gesamtkunstwerk zu machen.

Ein ganzer Abend mit Londoner Haydn-Sinfonien in D-Dur

Vor der Pause erklangen Sinfonie Nr. 93 D-Dur sowie die Sinfonie Nr. 96 D-Dur, beide von Joseph Haydn in London geschrieben, die 93er (1792) allerdings gut ein Jahr nach der 96er (1791), sie wurde aus editorischen Gründen später vorgezogen. Beide Werke liegen in der frühen Phase des populären Stils, die Uraufführung der „Sinfonie mit dem Paukenschlag“ folgte einen Monat nach der Sinfonie Nr. 93.          Die Deutsche Kammerphilharmonie bewies hier bereits ihre harmonische Geschlossenheit, die sie zu „einem der weltweit führenden Orchester“ (BBC) macht. Einfühlsam und sehr genau führte Järvi seinen Klangkörper durch die Sinfonien, wobei die Kammer, die sich die Kammerphilharmonie diesmal für ihre Aufführung ausgewählt hatte, doch recht groß war. So umfasste die Darbietung die Hörer nicht ganz, wie es vermutlich in der Laeiszhalle oder der Elbphilharmonie der Fall gewesen wäre.

Folklorelastige, komische Covent-Garden-Oper „Rosina“

Nach der Pause unternahm das Orchester dann einen weiteren interessanten Ausflug nach Covent Garden und brachte die Ouvertüre zur komischen Oper „Rosina“ von William Shield zur Aufführung. Wie Haydn, jedoch in größerem Umfang, plünderte der 16 Jahre jüngere Shield die Volksmusik seiner Zeit für seine Werke. So schien es, als tapse zu Beginn der Ouvertüre ein Tanzbär durch den Michel, der wenig später durch eine imaginative, fröhliche Dorfprozession abgelöst wurde. Am Ende der Ouvertüre schlug die Stunde der Schotten und stellte nicht zuletzt die Oboen des Orchesters vor die undankbare Aufgabe, Dudelsacktriller zu imitieren, was einigermaßen gelang. Ohnehin machte die „Rosina“-Ouvertüre nicht den Eindruck, überprobt zu sein.

Meisterleistung und i-Tüpfelchen zum Abschluss

Doch dann folgte eine Meisterleistung. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, auf Haydn spezialisiert, präsentierte die Sinfonie Nr. 104 in D-Dur „London“ in vollendeter Form. Bis in jede Nuance ausgearbeitet, dynamisch und einheitlich im Klang wurden die vier Sätze der letzten seiner zwölf in London komponierten Sinfonien zu einem wahren Hörgenuss. Auch an die Akustik des Saales hatte das Ensemble sich beim abschließenden Großwerk aus dem Jahre 1795 angepasst, in dem es nun eine deutlich stärkere Präsenz entfaltete. Nach dem Jubel des Publikums entschied sich Paavo Järvi für eine großartige Zugabe, das „Andante Festivo“ für Streichorchester und Pauken von Jean Sibelius. Mit einem perfekten Streichorchester ist die Komposition in einem Satz das perfekte Stück für den Michel. Järvi interpretierte es sehr getragen, die Geigen erzeugten einen wahren Seelenton für die Ewigkeit. Weit genug entfernt von Haydns Sinfonie Nr. 104 trug es gemeinsam mit ihrem Höreindruck auf dem Heimweg zu einem erfüllten Konzertabendnachklang bei. Die Standing Ovations für die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen und Paavo Järvi waren redlich verdient.

 

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