CONCERT REVIEW: Fesselnde Dynamik; Klavierkonzert in der Alten Oper uraufgeführt

Fesselnde Dynamik
Klavierkonzert in der Alten Oper uraufgeführt
Von Axel Zibulski
Wiesbadener Tagblatt, 25.11.2006

FRANKFURT "Ein Individuum versucht, die Welt zu verändern, aber kann nichts anderes tun, als sich selbst zu ändern - und stellt dann fest, dass auch die Welt sich geändert hat." Der estnische Komponist Erkki-Sven Tüür hat diese außermusikalische Idee zu seinem Klavierkonzert notiert, das jetzt in der Alten Oper uraufgeführt wurde. Nach Tüürs Violinkonzert (1999) ist es das zweite Werk, das der 1959 geborene Este im Auftrag des Hessischen Rundfunks komponiert hat. Die Uraufführung unter der Leitung von Paavo Järvi, seit September dieses Jahres Chefdirigent in Frankfurt und seit seiner Jugend mit Tüür befreundet, wurde vom Publikum freundlich aufgenommen.

Denn Effekt macht Tüürs gut 20 Minuten dauerndes, einsätziges Konzert ohne Frage; die Interaktion zwischen dem Solisten, in Frankfurt dem österreichischen Pianisten Thomas Larcher, und dem Orchester ist eine höchst spannungsreiche, reibungsvolle. Schon der schroffe Eröffnungsakkord des Klaviers wird klirrend kalt vom Schlagwerk beantwortet, ob mit diffus-flächigen Kontrabass-Passagen, haltlos purzelnden Läufen der Bläser oder jazzig verschobenen Rhythmen bietet das Orchester dem Solisten auch sonst wenig Halt. Er steht für sich - beim Ausloten der extremen Register seines Instruments wie beim permanenten Wiederholen und schritthaften Ergänzen langsam sich ausformender Motive. Ob eben "Minimal music", Jazz-Anklänge, tonale Felder oder gleichsam improvisatorische Schlagwerks-Passagen: Tüür hat sie in seinem Klavierkonzert bis zum versöhnlich-meditativ wirkenden Ausklang kompakt gebündelt; das Konzert, von dem Solisten Thomas Larcher nicht nur interpretiert, sondern einst auch initiiert, dürfte auch dank seiner fesselnden Dynamik kein Stück für die Schublade bleiben.

Für seine Programme als Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters hat Paavo Järvi nicht nur eine verstärkte Einbindung zeitgenössischer Musik, sondern auch einen Schwerpunkt bei der Sinfonik von Anton Bruckner und Gustav Mahler angekündigt. So führten er und die hr-Sinfoniker im zweiten Konzertteil Bruckners Sinfonie Nr. 7 E-Dur auf. Transparenz statt Pathos, stets fein ausgearbeitete Übergänge und eine kluge formale Disposition, die einmal nicht das Scherzo und das Finale wie ein Appendix der gewichtigeren ersten Sätze erscheinen ließ, prägten die Interpretation, die auf weitere Bruckner-Dirigate Järvis neugierig machte.

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