Mühelos aufblühend

Wiesbadener-Tagblatt.de
Von Axel Zibulski
27.06.2011

RHEINGAU MUSIK FESTIVAL Eröffnung mit dem hr-Sinfonieorchester im Kloster Eberbach

Elina Garanca exponierte das Motiv der aufspringenden Rosen kräftig. Im dritten von Alban Bergs „Sieben frühen Liedern“ setzte die lettische Sängerin mit glühend ausströmendem Mezzosopran den Akzent auf jene errungene Lebensbejahung, die in der Vertonung eines Gedichts von Theodor Storm zum Ausdruck kommt: Eine Nachtigall lässt mit ihrem Gesang bis zum Morgen die Rosen erblühen, und so entwickelt sich in der Kleinform des Liedes, was im Ganzen auch Gustav Mahlers sich auflichtende Sinfonie Nr. 5 cis-Moll prägt, Hauptwerk im Eröffnungskonzert des Rheingau Musik Festivals.

Mahler-Zyklus fortgesetzt

Natürlich ist das Bild des Aufblühens zugleich ein passendes für einen Festivalbeginn: Zum gewichtigen Auftakt der 24. Festspiel-Auflage setzten das hr-Sinfonieorchester und Chefdirigent Paavo Järvi ihren Zyklus mit Sinfonien Gustav Mahlers im 100. Todesjahr des Komponisten fort. Und sorgten mit der 1904 uraufgeführten fünften Sinfonie in Kloster Eberbach für einen ersten künstlerischen Höhepunkt in diesem Sommer.

Wieder schien Paavo Järvi die aufstauende Akustik der Eberbacher Basilika zum Element seiner musikalischen Dramaturgie werden zu lassen, ohne Kompromisse in der Wahl der meist straffen Tempi. So gab der Trauermarsch des ersten Satzes mit seinen rhythmischen Verzerrungen eine beklemmend verschwimmende Moll-Folie für das so umso schneidender, verletzender und hier immer wieder in ungewöhnlicher Deutlichkeit durchscheinende Trompeten-Motiv.

Die zunächst seltenen Inseln des Auflichtens stellte Järvi freilich nicht weniger stimmungsdeutlich heraus, das breit ausgekostete, versöhnliche Thema der wunderbar sensibel spielenden Cello-Gruppe im „stürmisch bewegten“ zweiten Satz, auch den hier zum flüchtigen Intermezzo überformten Ruhepol des Adagiettos, jenes populärsten aller Mahler-Sätze, der erst in diesem Kontext seinen wahren Reiz entfaltet. Denn zurecht als gewichtigsten Satz verstand Järvi das davor stehende Scherzo mit seiner aus äußerster Komplexität gewonnenen, zur Auflichtung treibenden Energie.

Järvi ließ Samuel Seidenberg, den Solo-Hornisten des hr-Sinfonieorchesters, neben dem Dirigenten-Pult spielen, exzellent mit-leiten, gemeinsam die Walzer-Einsprengsel als Verklärung des Vergangenen entlarven und die Musik sich neu aufbauen. Hier lag der lebensgewinnende Nukleus der Sinfonie, den das Finale als Effekt nur noch bestätigen konnte. Mit Mahlers fünfter Sinfonie korrespondierten zuvor Alban Bergs „Sieben frühe Lieder“ in der 1928 erstellten Orchesterfassung des Komponisten stilistisch gut. Elina Garanca stellte ihren Mezzosopran mühelos über die üppige Orchestrierung, tragend bis ins verinnerlicht abgedunkelte Pianissimo, strahlend und klar im Forte, freilich nirgends so nachdrücklich wie im Bild der aufspringenden Rosen. Es war das schönste und treffendste für dieses vom Publikum stark gefeierte Eröffnungskonzert.

http://www.wiesbadener-tagblatt.de/region/kultur/musik/10891822.htm


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