Solistin mit hinreißender Leidenschaft

nachrichten.at
03.10.2011
Michael Wruss

Brucknerfest-Matinee: hr-Sinfonieorchester Frankfurt unter Paavo Järvi, Sonntag, 2.10.

OÖN Bewertung: 6/6 Sterne

Das Sinfonieorchester des hessischen Rundfunks ist nicht nur das drittälteste Orchester im Verbund der ARD, sondern zugleich eines der besten Orchester in ganz Deutschland. Gestern vormittag war das Ensemble aus Frankfurt beim Brucknerfest zu Gast – unter seinem Chef-Dirigenten Paavo Järvi, der seit heuer auch beim Orchestre de Paris in Nachfolge von Christoph Eschenbach die Zügel in der Hand hält.

In den letzten fünf Jahren sind die hochmotivierten Musiker und ihr Chef eng zusammengewachsen und musizieren mit einer bewundernswerten Selbstverständlichkeit. Es gibt keine Instrumentengruppe, die schlecht besetzt wäre, aber auch keine, die sich in den Vordergrund spielen würde. In diesem Ensemble herrscht perfekte Klangbalance und offensichtlich beste Stimmung.

Das war schon bei den ersten einleitenden Takten von Carl Maria von Webers „Oberon“-Ouvertüre zu spüren, die von Paavo Järvi prägnant, glasklar formuliert und in edelsten Klang gehüllt gestaltet wurden. So blieb im lebendig dahin sprengenden Allegro con fuoco jedes Detail klar zu erkennen, ohne dass dabei die analytische Durchsichtigkeit das Emotionale der Musik gebremst hätte. Ganz im Gegenteil! Khatia Buniatishvili war die ideale Solistin für Mozarts A-Dur-Klavierkonzert KV 488.

Herzerwärmend und klar

Auch sie versteht es, Musik mit ihrem glasklaren Anschlag das musikalisch Gesagte zu verdeutlichen und Strukturen nicht zu verwischen, ohne dabei auf klangliche Qualität, noch auf hinreißende Leidenschaft zu verzichten. So klar und zugleich herzerwärmend war dieses Konzert schon lange nicht zu erleben.

Der Meisterschaft Buniatishvilis stand aber auch die Perfektion des Orchesters gegenüber, das – von Paarvo Järvi ziemlich frei geleitet – ebenso konzertierte und mit traumhaften Soli aufzuwarten wusste. Nach der Pause dann eine unglaubliche Wiedergabe der 8. Symphonie Franz Schuberts. Paarvo Järvi legte deutlich offen, welchen Einfluss Schubert auf seine Nachfahren allen voran auf Bruckner und Mahler hatte.

So bekam der erste Satz trotz aller frühromantischer Verspieltheit etwas von einer Brucknerschen Größe, von klanglicher Opulenz, die nicht durch Lautstärke erzielt wurde, sondern durch eine kluge Disposition der einzelnen Gruppen. Auch hier wiederum perfekte Balance. Das Andante con moto bekam Züge eines Mahlerschen Trauermarsches mit allen schroffen Ecken und Kanten, die aber zwischendurch fast flehentlich die lyrischen Momente durchblitzen ließen. Virtuos und geschickt neu phrasiert das Scherzo und schier überbordend das Finale.

Eine großartige Lesart dieser großartigen Musik, weit weg von Verniedlichung und Verharmlosung, aber auch weit weg von lärmender Brutalität. Man musste seine Ohren schon ein wenig umpolen, wurde aber dann mehr als belohnt.

http://www.nachrichten.at/nachrichten/kultur/art16,727110

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