Kühn und keck


sueddeutsche.de
Klaus Kalchschmid
12/06/2016

Paavo Järvi mit Anton Bruckners sechster Symphonie im Gasteig

Man muss es immer wieder betonen: Die Münchner Philharmoniker sind ein Bruckner-Orchester par excellence - schon dank ihrer reichhaltigen Aufführungsgeschichte seiner Werke unter bedeutenden Dirigenten. Auch wenn Sergiu Celibidache den Solitär der Sechsten nur ein einziges Mal 1991bei den Philharmonikern dirigiert hat, wehte sein Geist auch durch die Aufführung unter Paavo Järvi. Diese untypischste und vielleicht gerade deshalb reizvollste unter Anton Bruckners Symphonien in der für ihn ungewöhnlichen Haupttonart A-Dur ist wohl tatsächlich seine "kühnste" und "keckste", wie der Komponist selbst meinte. Es ist nicht nur die eleganteste, sondern auch die mit den verrücktesten Volten auf engstem Raum. Bis auf eine Ausnahme im Finale gibt es zwar immer wieder die für Bruckner so typischen Steigerungen, aber nie brechen sie plötzlich auf dem Höhepunkt in die Stille einer Generalpause ab.

Paavo Järvi hatte die deutsche Orchester-Aufstellung gewählt: mit den Kontrabässen hinten in der Mitte, den Celli halblinks und den Bratschen halbrechts, während erste und zweite Geigen links und rechts vom Dirigenten saßen. Homogenität des Klangs und Durchsichtigkeit waren so perfekt zu erzielen. Stets herrschte bei sehr gelassen moderaten Tempi eine geradezu entspannte Intensität und Järvi gelangen mit dem ungemein präzisen Orchester immer wieder großartige Momente.


Vor der Pause erlebte man den später bei Bruckner so feinen Streicher-Klang in Gerard Schwarz' Streichorchester-Fassung von Weberns "Langsamem Satz für Streichquartett" eher üppig, während die kammermusikalisch raffinierte Instrumentation, die Alban Berg seinen "Sieben frühen Liedern" angedeihen ließ, allzu indifferent umgesetzt war. Leider ist Olga Peretyatkos heller Sopran für die teils recht tief liegenden Lieder schlicht zu schlank. Dafür bedarf es einer gehaltvolleren, farbenreicheren und sinnlicheren Stimme.

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