Paavo Järvis mitreißender Brahms-Zyklus

ndr.de
Marcus Sträbler
6.10.2017


"Eine Brahms-Offenbarung" schwärmte die "New York Times" nach einem Gastspiel der Deutschen Kammerphilharmonie und bejubelte die "triumphale Lesart" der zweiten Sinfonie. So wie in New York haben Paavo Järvi und sein Orchester mit ihrem Brahms-Zyklus auch in Wien und Tokyo Erfolge gefeiert, bevor sie ins Studio gegangen sind, um die vier Sinfonien aufzunehmen. Die zweite ist jetzt auf CD erschienen.

Ein schlanker, klarer Brahms-Klang


Die Berliner Philharmoniker spielen flächig, ernst und weihevoll, fast wie in einer Kathedrale. Bei Paavo Järvi bekommt die Musik mehr Fluss und Kontur als bei der 40 Jahre alten Aufnahme von Herbert von Karajan. Durch den durchsichtigen Klang tritt die Melodie der Celli deutlicher hervor.

Paavo Järvi und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen modellieren einen schlanken und klaren Brahms-Klang. Schon zu Beginn der Sinfonie, wenn sich das Thema der Hörner über der Grundierung der tiefen Streicher abhebt.

Wie eine leichte Sommerbrise


Die Hornmelodie ist der Auftakt zu einem Werk, in dem viel und oft die Sonne scheint. Johannes Brahms, damals 44 Jahre alt, schrieb seine zweite Sinfonie 1877 im Urlaub am Wörthersee. Die liebliche Landschaft und das freundliche Klima haben - so scheint es zumindest - in der Musik ihre Spuren hinterlassen. Das ist bei Järvi und seinem Orchester zu spüren, wenn sie gemeinsam tief einatmen und sich Zeit lassen, bevor sie den hellen Klang der Geigen genießen. Er strömt so frisch und rein wie eine leichte Sommerbrise.

Trotz ihres heiteren Grundtons ist die zweite Sinfonie alles andere als eine musikalische Postkartenidylle. Brahms zeigt auch hier seinen Ernst und seinen Hang zur Melancholie - wenn auch etwas zarter und weniger düster als noch in der ersten.

Emotionale Bandbreite

Die Deutsche Kammerphilharmonie wird ihrem Namen auch in der neuen Aufnahme gerecht und präsentiert sich als Orchester von kammermusikalischer Transparenz und Wachsamkeit, etwa bei den intimen Dialogen der Bläser und mit einem breiten Spektrum an Zwischentönen. Paavo Järvi lauscht diesen leisen Klängen mit seinem eingespielten Team sensibel nach, vergisst dabei aber nicht die sinfonische Wucht, die Brahms ja auch auszeichnet. Der Forte-Ausbruch im Finale fegt den Hörer mit seiner orchestralen Kraft förmlich aus dem Sessel.

So vital und mitreißend wie die zweite Sinfonie klingen auch die beiden kürzeren Orchesterstücke, die das Programm abrunden: die tragische Ouvertüre und die akademische Festouvertüre von Brahms. Auch da offenbart die Aufnahme eine emotionale Bandbreite von der Grübelei bis zum ausgelassenen Humor, die den Komponisten Johannes Brahms und seine Musik lebendig macht.


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