CONCERT REVIEW: Bonn

Bonn Beethovenhalle - August 26, 2007

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Paavo Järvi dirigiert Beethoven in Bonn

By Miquel Cabruja



Seit 2004 ist die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen das 'Orchestra-in-residence' des Beethovenfestes und führt mit ihrem Dirigenten Paavo Järvi jährlich eine Beethoven-Sinfonie auf. In der diesjährigen Spielzeit stand die Sechste auf dem Programm. Mit der Ouvertüre 'Die Weihe des Hauses' und der Klavierfassung des Violinkonzerts op. 61 gab Järvi der Pastoralen am 26. August in der Bonner Beethovenhalle einen spektakulären Rahmen. Schon bei der Ouvertüre hängte der estnische Dirigent die Messlatte hoch und zeigte sich als blitzgescheiter Exeget und begnadeter Klangzauberer. Im Spätwerk des bereits ertaubten Beethoven, das die Zeitgenossen als eine seiner reifsten Leistungen bewerteten, verriet Järvi intensive Detail-Arbeit mit seinem Orchester. Mit geradezu barocker Klangtransparenz gewährte er intime Einblicke in die kompositorische Struktur. Sein Sinn für Klarheit, sein schlafwandlerisches Gefühl für Tempi und fesselnde Akzente machten deutlich, dass Järvi in der Tradition der historisch informieren Aufführungspraxis eines Roger Norrington steht. Herrliche Schattierungen im Holz, federnde Genauigkeit und phantasievolle Beweglichkeit unterstrichen gleichzeitig die wohlüberlegte Eigenständigkeit Järvis und hohe Spielkultur des Orchesters. Derart poliert klang diese Ouvertüre taufrisch, als wäre sie gestern komponiert worden. Mit der Für das Violinkonzert, das Beethoven wegen ausbleibenden Erfolgs auf Anregung des Pianisten Muzio Clementi für Klavier und Orchester einrichtete, hatte die Bremer Kammerphilharmonie mit Olli Mustonen einen wahren Virtuosen zum Partner. Im Kopfsatz gab Järvi präzise und zügige Tempi vor und hielt das Publikum mit magischen Diminuendi und erhabenden Crescendi in Atem. Mustonen folgte dem Dirigenten mit sichtbarem Entzücken. Aus vollen Händen streute er Silberstaub über die Tastatur und widmete sich der Solokadenz, die Beethoven eigens für die Klavierfassung umgearbeitet und um markante Akzente erweitert hatte, mit der Verzierungskunst einer Koloratursopranistin. Im Dialog des Klaviers mit der Pauke offenbarte Mustonen das kreative Potential des mit-schöpferischen Musikers. In den Nebelschleiern des Larghetto erzeugte er bei aller Kantabilität und kostbarer Kristall-Klänge knisternde Spannung. Überschwang und Genauigkeit, Präsenz und großen Gestaltungswillen markierten das Rondo, zu dessen Finale Mustonen die Farbpalette eines ganzen Orchesters auf seinem Instrument zur Verfügung stand. Ein Denker und ehrlicher Empfinder am Flügel, dessen Interpretation sich aufs Glücklichste mit der scharfsinnigen Lesart Järvis verband. Die Chemie zwischen Solist und Dirigent stimmte. Kein Wunder also, dass Mustonen sich nach der Pause im Publikum einfand, um Järvis 'Pastorale' zu lauschen. Und Järvi enttäuschte nicht. Idyllisches zeige er genau so wie das bereits gebrochene Naturerleben des 19. Jahrhunderts. Mit malerischem Talent tupfte er im ersten Satz kleine Wölkchen und ländliche Szenerien. Die sommerliche Schwere im zweiten Satz ließ ihn für keinen Moment die übergeordnete Form und das musikalische Grundmaterial aus den Augen verlieren, das Beethovens idyllische Naturbetrachtung mit der schicksalsdrängenden Fünften verschwistert. Temporeiches Spiel, bodenständigen Humor und genauste Klangarbeit zeigte Järvi im dritten Satz. Im Gewitter schließlich setzte er schlagkräftige Akzente und zeigt sich noch einmal als geistreicher Dirigent, um dann im elegischen letzten Satz die Summe eines Abends zu ziehen, der in der Konzentration eines Brennspiegels durch grandiose Leistungen Beethoven in den Mittelpunkt rückte. Eine fulminante Zugabe, das Finale aus der vierten Sinfonie, machte vor allem eines: Lust auf mehr.

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