CONCERT REVIEW: Der Norden im Süden


Ein Dirigent als Popstar: Ein riesiges Bild von Paavo Järvi prangte an der Außenwand eines Frankfurter Kaufhauses

Der Norden im Süden
Paavo Järvi stellte sich als Leiter des HR-Sinfonieorchesters vor

Von Gerd Döring
HNA.de Kultur, 16.10.2006

Frankfurt. Überlebensgroß prangte ein Bild Paavo Järvis eine Woche lang an der Fassade eines Hochhauses in Frankfurts Innenstadt. Mit dieser aufwändigen Plakataktion begrüßte der Hessische Rundfunk den neuen Leiter seines Sinfonieorchesters. Järvi, Spross einer traditionsreichen Musikerfamilie aus Estland, ist dank vieler Gastspiele am Main kein Unbekannter. Der renommierte Dirigent aus dem Nordosten Europas soll die erfolgreiche Arbeit von Hugh Wolff fortführen und seine erste Spielzeit, so hat er angekündigt, wird umrahmt werden von nordischer Musik.

Zum Auftakt gibt es ein Werk, das Jean Sibelius 1892 komponierte. Sibelius zeichnet in fünf Sätzen eine Episode aus dem finnischen Nationalepos Kalevala nach, emphatisch schildert er den tiefen Fall des Kulervo, der unwissentlich seine Schwester verführt und sich hernach selbst richtet. Eine so farbenreiche wie ungestüme Tonschöpfung, die von der Unbekümmertheit des Anfangssatzes bis zum düsteren Heldentod im Finale alle Stimmungen ausreizt.

Famose Gastsolisten

Drei instrumentalen Sätzen steht ein opernhafter Mittelsatz gegenüber, gekrönt wird das Werk von einem sich furios auftürmenden ‚Nachsatz’. Mit dem finnischen Bariton Jorma Hynninen und der schwedischen Mezzosopranistin Charlotte Hellekant sind famose Solisten zu Gast, Hellekant singt ihren Part mit einer unter die Haut gehenden Eindringlichkeit. Hynninen steht ihr nur wenig nach, wenn er Kulervos verzweifelte Reue förmlich herausschreit. Das Schicksal des Helden erzählt der Nationale Männerchor aus Järvis Heimatland (Einstudierung: Mihail Gerts), einer der besten Chöre Europas, ein Ensemble, das zart wispern kann, aber auch rau donnern.

Järvi lässt sein Orchester kraftvoll und ungestüm musizieren, setzt klare Zeichen und energische Akzente, gibt aber auch viel Raum für lyrische Passagen, den Holzbläser und Blech weidlich nutzen. Perfekt die Abstimmung mit den Sängern, selbst die gewiss nicht zimperlichen Schlagwerker des HR-Sinfonieorchesters sind in den eindringlichen Erzählfluss der Sage faszinierend passgenau eingebunden. Viel Beifall für den sichtlich gerührten neuen Chefdirigenten.

Die Live-Aufzeichnung des Konzertes wird am 24. Oktober in hr2-Kultur um 20.05 Uhr gesendet.

Am 9. Dezember gastieren Paavo Järvi und das hr-Sinfonieorchester im Kasseler Staatstheater: Schostakowitsch (7. Sinfonie) und Beethoven (5. Klavierkonzert) - Solist: Radu Lupu. Karten unter 0561/1094-222.
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A RECORDING OF THIS CONCERT WILL AIR ON 24 October in hr2-Kultur at 20.05 o'clock FRANKFURT TIME (2:05 pm EDT).

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